„Meet a Jew“ am Dom-Gymnasium
Zwei höchst kurzweilige und interessante Unterrichtsstunden erlebten die neunten Klassen am 25. Oktober sowie am 8. November 2021 im großen Musiksaal. Auf Anregung von Anna Schmitt, Lehrerin für Evangelische Religionslehre, Griechisch und Latein, kam Besuch von „Meet a Jew“, einer jüdischen Initiative mit bundesweit über 350 Freiwilligen, die Begegnungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Menschen ermöglicht und einen Einblick in das aktuelle jüdische Leben in Deutschland gibt. Mit den Referentinnen – der 19-jährigen Klara, Studentin in Passau, der 22-jährigen Alice, Mitarbeiterin im Jugendzentrum der jüdischen Gemeinde München, sowie der 24-jährigen Anna, Regionalkoordinatorin der Initiative für Bayern - kamen drei Jüdinnen an die Schule, die so gar nicht dem in den Vorstellungen mancher Schülerinnen und Schüler existierenden typisierten Bild von Repräsentierenden des Judentums entsprachen, und die nach eigenem Bekunden, „happy“ waren, hier zu sein. Lebendig, locker und gerade heraus beantworteten sie die vielen Fragen, die ihnen aus der Runde gestellt wurden. Dabei war es ihnen ein Anliegen, das Judentum in seiner Vielfalt an religiösen Strömungen, Kulturen und Traditionen, Meinungen und Überzeugungen darzustellen, in dem es eben nicht einfach „richtig“ oder „falsch“ gibt.
Die Schülerinnen und Schüler erfuhren Wissenswertes über die Mesusa, den jüdischen Haussegen, die Bedeutung des Davidsterns sowie über die in allen möglichen Farben und mit allen möglichen Motiven gestalteten Kippot - im Singular Kippa -, von deren Tragen die Frauen ausgenommen sind, weil sie von Geburt an eine besondere Verbindung zu Gott haben und nicht mehr daran erinnert werden müssen, dass über ihnen noch etwas ist. Die Referentinnen ließen eine gebundene Ausgabe der Tora - der Fünf Bücher Mose und der Prophetenlesungen - in hebräisch-deutscher Übersetzung durch die Reihen gehen, ebenso ein Tuch, das am Schabbat das traditionelle Zopfbrot Challah bedeckt. Beeindruckt lauschten alle Anwesenden einer Referentin, die aus dem Stegreif heraus das Lied zum Eingang des Schabbats sang, der genau dann beginnt, wenn die ersten drei Sterne am Abendhimmel zu sehen sind. Sie gewannen einen Einblick in die jüdischen Speisevorschriften und deren Umsetzung im alltäglichen Leben. Zudem erfuhren sie, dass es auch Rabbiner:innen gibt, den Verein „Keshet Deutschland“, der sich für die Rechte von und den Umgang mit LBGTQI*-Jüdinnen und Juden engagiert, und dass Tätowierungen zwar im Judentum nicht erlaubt seien, da der Körper so zu belassen sei, wie er ist, dennoch immer wieder neu überlegt werde, wie mit Tattoos zu verfahren sei.
Angesprochen auf die Frage, ob die Referentinnen bereits antisemitische Erfahrungen gemacht hätten, bestätigten alle drei, dass Judenhass ein reales Problem sei, das man nicht herunterspielen dürfe, und dass nicht ohne Grund jüdische Einrichtungen unter Polizeischutz stehen. Oftmals seien es auch diskriminierende Bemerkungen, die nebenbei gesagt werden würden. Dennoch mache der Antisemitismus ihr Jüdisch-Sein nicht aus. Authentisch vermittelten sie, stolz zu sein, Jüdin zu sein, zu erfahren, mit allen Jüdinnen und Juden „sehr connected“ zu sein, in ihren Gemeinden eine Gemeinschaft zu spüren, beim Singen, Tanzen, Spielen und Essen, und deshalb ein Zuhause zu haben - überall auf der Welt.
Für die Schülerinnen und Schüler und sicherlich auch für die beiden Referentinnen vom 25. Oktober 2021 war es spannend, die Anwesenheit eines professionellen Filmteams zu erleben, das die Veranstaltung aufzeichnete für eine Produktion des Evangelischen Fernsehens. Diese wurde wenige Tage später unter dem Titel „Alice – Essen, Feiern, Jüdisch sein!“ auf Sat.1 Bayern gesendet.
Anna Schmitt bedankte sich unter kräftigem Applaus der begeisterten Schülerinnen und Schüler mit einem koscheren Honig aus Israel bei den Referentinnen für diese Begegnung, die nicht nur vor dem Hintergrund des Jubiläumsjahrs „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ ein überaus wichtiger Beitrag war zur Wissensbildung und zum Gelingen des interreligiösen Dialogs.