Zeitzeugengespräch mit Abba Naor
Der Besuch des Holocaust-Überlebenden Abba Naor gehört zu den festen Terminen im Schulkalender des Dom-Gymnasiums. Über zehn Mal hatte er die Schule bereits für Zeitzeugengespräche besucht, ehe die Pandemie für eine zweijährige Unterbrechung sorgte. Umso größer war die Freude darüber, Abba Naor nun wieder auf dem Domberg begrüßen zu können, wo der mittlerweile 94-Jährige den Schülerinnen und Schülern der neunten Klassen seine bewegende Geschichte erzählte und mit ihnen ins Gespräch kam.
Im Alter von dreizehn Jahren muss der junge Naor in das Ghetto seiner Heimatstadt Kaunas in Litauen. Sein älterer Bruder wird von der SS erschossen. Die Familie kommt später in das KZ Stutthof in der Nähe von Danzig, wo Abba Naor nicht nur von seinem Vater getrennt wird, sondern auch miterleben muss, wie seine Mutter und sein jüngerer Bruder deportiert werden – nach Ausschwitz-Birkenau. In Bayern erlebt Naor die furchtbaren Außenlager des KZ Dachau, zuletzt in Utting am Ammersee. Im Frühjahr 1945 wird er mit anderen Häftlingen noch auf einen der berüchtigten Todesmärsche geschickt und in Waakirchen von der US-Armee befreit. Danach gelingt es ihm tatsächlich, seinen Vater wiederzufinden. Er entschließt sich, nach Israel zu emigrieren, wo er nach Umwegen schließlich 1947 ankommt.
Naor betont, dass seine jungen Zuhörerinnen und Zuhörer selbstverständlich keine Verantwortung hätten für die Geschehnisse der Vergangenheit, mahnt die Schülerinnen und Schüler aber, wachsam zu sein, friedlich miteinander umzugehen und sich jeder Form von Antisemitismus und Ausgrenzung entgegenzustellen. Gleichzeitig appelliert er auch an sie, ihr Leben als Geschenk zu sehen, denn: „Leben ist eine feine Sache“. So ermöglichte Abba Naor den mit höchster Aufmerksamkeit lauschenden Schülerinnen und Schülern durch seinen Besuch, seinen authentischen Bericht und seine Offenheit für sämtliche Fragen eine ganz besonders intensive und lebendige Geschichtsstunde gegen das Vergessen.