„Zeitenwende“ – Botschafter Rüdiger von Fritsch am Dom-Gymnasium
Zu den in den Medien derzeit gefragtesten Gesprächspartnern über den Ukraine-Krieg gehört Rüdiger von Fritsch. Als ehemaliger Botschafter in Warschau und Moskau verfügt er über exzellentes Wissen, um die mit dem 24. Februar 2022 neu entstandene komplexe Situation sowie deren historische Hintergründe verständlich zu erklären und Orientierung zu geben.
Trotz seines eng getakteten Terminkalenders nahm sich Rüdiger von Fritsch am 13. Januar 2023 den ganzen Vormittag über Zeit, um jeweils in einer Doppelstunde nacheinander der 10., 11. und 12. Jahrgangsstufe Rede und Antwort zu stehen. Den Tag des Beginns des russischen Angriffs auf die Ukraine verglich er mit einem umgeworfenen Schachbrett, auf dem die bisherigen Spielregeln nicht mehr gelten. Die nach dem Zweiten Weltkrieg getroffene Vereinbarung, Konflikte im Dialog mit Mitteln der Diplomatie zu lösen, hat Wladimir Putin mit seinem anfänglich als „militärische Spezialoperation“ genannten Krieg für null und nichtig erklärt.
Äußerst interessiert folgten die Schülerinnen und Schüler Rüdiger von Fritschs Ausführungen zu den Unterschieden in der Außenpolitik zwischen Russland und dem Westen, zur Einstellung Russlands, dass bei allem, was geschieht, nie man selbst, sondern immer die anderen Schuld haben, sowie seiner Beschreibung von Wladimir Putin als patriotisch-autoritärer Führer, der den Denkmustern des sowjetischen Geheimdienstes verhaftet bleibt gemäß des Ausspruchs: „Einmal KGB, immer KGB.“ Die offenkundig fehlende Bereitschaft der russischen Bevölkerung zum Widerstand erklärte der ehemalige Botschafter mit einer im Land wenig ausgeprägten Kultur der Eigenverantwortung, einer vorherrschenden Grundhaltung des Sich-Wegduckens, die sich aus den noch nicht aufgearbeiteten Erfahrungen stalinistischen Terrors erklären lässt sowie einem im Land vorherrschenden Mix aus Lügen, Repression und Bestechung, mit Hilfe dessen Probleme weggekauft, aber nicht gelöst werden.
Die Veranstaltung für die 12. Jahrgangsstufe hatten die Schülerinnen und Schüler als Podiumsdiskussion gestaltet, bei der sich Moderator und Podiumsteilnehmende als bestens vorbereitet und vertraut mit Rüdiger von Fritschs aktuellem Buch „Zeitenwende – Putins Krieg und die Folgen“ erwiesen und bei der der lebendige Wechsel von Fragen und Antworten die Zeit viel zu schnell vergehen ließ.
Ermutigend waren die Schlussworte von Rüdiger von Fritsch, dass das letzte, was man in der Diplomatie verlieren sollte, Hoffnung und Zuversicht sind: die Hoffnung auf überraschende Wendungen in der Geschichte und die Hoffnung, dass auch Russland einmal zu einer neuen demokratischen Ordnung finden könnte. Eindringlich appellierte er an die Schülerinnen und Schüler, regelmäßig gute Zeitungen zu lesen, sich umfassend und kontrovers zu informieren und Nachrichten auf ihre Wahrscheinlichkeit hin zu überprüfen. Der ehemalige Botschafter endete mit den Worten: „Bleibt neugierig und kritisch!“ Schulleiter Manfred Röder, die anwesenden Lehrkräfte sowie die Schülerinnen und Schüler dankten Rüdiger von Fritsch für sein Kommen mit langem Applaus sowie mit einem Geschenk.