Lord Of The Flies

Das Licht auf der Bühne in der Aula des Dom-Gymnasiums geht an und zeigt Jugendliche in schwarzer Hose, weißem Hemd und Krawatte - in Reihen sitzend. Eine Frauenstimme - freundlich und professionell - ertönt aus dem Off und den Besuchern der Aufführung des Englisch P-Seminars der Q12 ist sofort klar: Gleich geht’s los mit der Reise im Flieger. Auf den Gesichtern der Passagiere spiegelt sich ganz wunderbar das nachfolgende Geschehen: vor dem Start Langeweile, nach dem Start Vorfreude. Und mit dem Ertönen dumpfer Paukenschläge und dem Hin- und Her-Schwanken der zuvor wohlgeordneten Reihen, Erschrecken und schließliches Entsetzen.
Der Flugzeugabsturz bildet auch in dem 1954 erschienenen Roman „Lord of the flies“ von William Golding den Ausgangspunkt für eine Survival-Geschichte mit Jugendlichen auf einer unbewohnten Insel im Pazifik. Weckt der Originaltext anfangs noch Assoziationen an ein Inselidyll, ist davon in der Inszenierung von Regisseurin Ines Baumer bereits im Bühnenbild kaum etwas zu spüren: Hohe Bambusstangen mit Blättern und ein improvisierter Zaun aus dünnen Holzleisten säumen den Rand der Bühne. Darin hat sich Verpackungsmaterial verfangen, vom Inselwind fortgefegt, weiterer Plastikmüll in den Ecken. Aus Goldings atomarer Bedrohung ist eine Umweltbedrohung geworden - eine von mehreren Aktualisierungen im Laufe des Abends.
Die Geschichte nimmt Fahrt auf und zieht die Besucher in ihren Bann: das mit Hilfe von Piggys Brille entfachte Feuer brennt - per Beamer eingespielt - auf der Balustrade bis hinauf ins oberste Stockwerk; der live gespielte, mal lauter, mal leiser werdende Trommelwirbel auf Pauken und Congas (Benedikt Gum, Nico Wallentin) verdeutlicht Gefahr; die sich steigernde Rivalität zwischen Gruppen und Figuren entlädt sich in rhythmischem Stampfen, Stoßen und Schreien – bis hin zur Entfesselung in gewaltbereiter Ekstase, die sich nicht mehr auf soziale Werte rückzubesinnen vermag.
Ein Höhepunkt nach der Pause ist der Auftritt der von Jack angeführten Bande: Die im Schwarzlicht unheimlich leuchtenden Neonstreifen auf Körpern, Gesichtern und Speeren visualisieren das Animalische im Menschen auf höchst eindrucksvolle Weise. Das Zusammenspiel der Q12-ler, unterstützt durch Teilnehmer des Englisch-P-Seminars der Q11, verdient höchste Anerkennung: aufgrund der nuancenreich umgesetzten schauspielerischen Leistungen, allen voran Jack (Elias Langenberg/Klara Wrusch), Ralph (Lola Berg), Piggy (Leonie Schützbach), Simon (Charlotte Behr) und Roger (Antonia Riedmair), und aufgrund der energiegeladenen Gruppen-Performances, die den Besuchern die Gratwanderung zwischen Anpassung und Widerstand nachdenkenswert vor Augen führen.
Ein großes Dankeschön gilt Ines Baumer, die mit unerschütterlichem Vertrauen in die Schauspielkünste ihrer Schülerinnen und Schüler das Schulleben wiederum auf so wunderbare Weise bereichert hat. Ebenso gilt der Dank der Dom-Technik, Frau Lang und dem Make-up-Team und weiteren Unterstützern, die diese Aufführungen zu einem Erfolg werden ließen.